Ich schreibe diese Zeilen im fast leeren Railjet auf dem Weg von Wien nach Venedig. Eigentlich wollte ich ja diesen Sommer wirklich nur in Österreich bleiben, aber die Sehnsucht nach dem Meer und die Neugierde nach dem Venedig ohne die Plage der Kreuzfahrer hat meine Familie und mich jetzt doch zu einem Kurzurlaub nach Italien verleitet. Aber auch der Sommer daheim war wunderbar. Ich habe Österreich in 20 Tagen zu Fuß von Nord nach Süd durchquert (auf dem Weitwanderweg 06 und 05 vom Mühlviertel über Mariazell bis Eibiswald) und es war eine wunderbare Reise mit vielen Erfahrungen und Begegnungen. Mir ist noch mehr bewusst geworden, dass man zu Fuß die Welt am intensivsten erlebt und auch der Kontakt zu den Menschen sich dabei ganz von selbst ergibt. Außerdem ist es natürlich die ökologischste Form des Reisens. „Der Fußgänger belebt den Raum, der Autofahrer besetzt ihn“ (Ilija Trojanov in „Gebrauchsanweisung fürs Reisen“).
Das Reisen nach Corona wird hoffentlich langsamer und nachhaltiger sein, mehr zu Fuß, mit dem Rad und mit dem Zug und weniger mit Auto und Flieger oder Kreuzfahrtschiff. Weltanschauen wird jedenfalls weiter versuchen, seinen Beitrag zu dieser verträglichen Form des Tourismus zu leisten. Es geht nicht darum, in kurzer Zeit möglichst weit weg zu kommen und möglichst viele verschiedene Orte zu sehen (oder „abzuhaken“). Das höchste Ideal des Reisens ist die Veränderung des Reisenden und dabei möglichst sanft und behutsam unterwegs zu sein. Natürlich ist das manchmal auch anstrengender als immer mit dem Bus von A nach B gebracht zu werden. Aber warum nicht auch einmal die Wohlfühlzone verlassen und neue Erfahrungen machen?
Reisen wird weniger planbar als vor Corona und damit wieder spannender. Jetzt ins Ausland zu reisen hat fast ein bisschen etwas Pionierhaftes. Von heute auf morgen können sich Rahmenbedingungen verändern. Das stellt uns als Veranstalter vor neue Herausforderungen. Wir müssen Programme flexibler gestalten, mehr Raum lassen für Unvorhergesehenes. Aber das macht ja eigentlich eine Reise aus. Wirklich Reisen bedeutet (ich zitiere sinnhaft wieder Ilija Trojanov), „dass wir uns auf etwas einlassen, von dem wir nicht wissen, wie es ausgehen wird. Dass wir der Fremde zugestehen uns zu berühren (und das kann auch manchmal unbequem sein). Das hat wenig zu tun mit modernem Pauschal-Tourismus, denn anstatt sich der Fremde auszusetzen, bezahlt man viel Geld, um ihr aus dem Weg zu gehen.“ Bei Weltanschauen haben wir uns immer bemüht, bei unseren Reisen einen Mittelweg zwischen diesen beiden Extrempositionen zu finden und werden das auch weiterhin tun. Klar ist, dass auch für uns (so wie für jeden Veranstalter) das Pauschalreisegesetz gilt. Bei den vielen Reisen, die wir heuer absagen mussten, konnten wir das immer rechtzeitig tun, so dass für die Kund*innen noch genügend zeitlicher Spielraum für neue Planungen blieb. Und natürlich wurden alle geleisteten Anzahlungen rückerstattet bzw. auf Wunsch auf zukünftige Reisen gutgeschrieben. Und so werden wir es auch in Zukunft halten, sollten wieder Reisen abgesagt werden müssen. Und an dieser Stelle auch ein großes DANKE an alle unsere Stammmkund*innen für die vielen positiven und motivierenden Rückmeldungen.
Wenn ihr nach so langer Pause auch wieder Lust aufs Weltanschauen bekommen habt, haben wir im Herbst noch einige spannende Reisen im Programm und laden euch herzlich dazu ein:
Von 8. bis 12. Oktober erkunden wir meine Heimat, das ursprüngliche Mühlviertel in Oberösterreich. Wir fahren mit der beschaulichen Mühlkreisbahn, gehen zu Fuß entlang der malerischen Mühl, zu einer Ruine hoch über der Schlögener Donauschlinge und in den Böhmerwald. Wir besuchen ausgewählte Biobetriebe, die älteste Brauerei Österreichs in Hofstetten, den alten Webermarkt Haslach und das Stift Schlägl. Kulinarisch begleitet werden wir vom Slow-Food-Koch Georg Friedl und der frühere Vizekanzler Reinhold Mitterlehner erzählt uns bei einer Burgführung in Piberstein mehr über die Geschichte und die Herausforderungen der Region.
Alle Details und das Anmeldeformular findet ihr hier.
Von 4. bis 8. November machen wir eine besondere Reise in unsere Hauptstadt Wien. Unsere Homebase wird das wunderbare magdas Hotel der Caritas Wien im Prater sein. Wir machen etwas andere Stadtspaziergänge, zum Beispiel vom neu entstandenen Sonnwendviertel beim Hauptbahnhof zum Viktor Adler Markt im Herzen von Favoriten und durch die Seestadt Aspern, einem der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas. Auch eine Wanderung durch die Weinberge ist geplant und natürlich auch viele Begegnungen mit interessanten Menschen zu verschiedenen Themen.
Das genaue Programm und das Anmeldeformular gibt es hier.
Für unsere Reisen nach Rijeka Ende Oktober und nach Venedig im November haben wir noch wenige freie Plätze. Momentan gibt es zwar für Kroatien eine Reisewarnung, wir hoffen aber, dass diese bis dahin wieder aufgehoben wird und wir die Reise durchführen können. In diesem Zusammenhang möchte ich auch betonen, dass wir Reisen nur dann durchführen, wenn ein problemloses und sicheres Reisen möglich ist, es keine Reisewarnung gibt und wir auch selber mit einem guten Gefühl dorthin fahren würden.
Im Herbst bereits ausgebucht sind unsere beiden Pilger- bzw. Wanderreisen am Franziskusweg nach Assisi und die INTENSIV_ZEIT am Lechweg. Beide Reisen werden aber auch im Frühling 2021 angeboten. Für diese und alle anderen Reisen 2021 könnt ihr euch natürlich gerne schon anmelden.
Ferdinand Kaineder, der Initiator unserer INTENSIV_ZEITen und Pilgerbegleiter ist wieder unter die Schriftsteller gegangen und ich kann sein Werk nur wärmstens empfehlen. „Anpacken, nicht einpacken“ ist seit 19. August im Buchhandel erhältlich. Hier die näheren Informationen zum Buch und zu den ersten Präsentationsterminen in Kirchschlag, Linz und Wien: https://www.kaineder.at/wordpress/anpacken-nicht-einpacken/.
Ferdinand moderiert im Bildungshaus Schloss Puchberg in Wels im September und Oktober auch 4 Zukunftsgespräche. Die Zeit mit und nach Corona wird anders sein, hoffentlich ein Stück anders bleiben. Bei allen Desaster-Erfahrungen, den Erfahrungen der Notmaßnahmen und der damit stellenweise verbundenen neuen Lebensqualität soll in offenen, inspirativen Gesprächen den positiven Konsequenzen nachgegangen werden. Die Abende wollen orientieren und solidarisieren. Am 14.9. von 18 – 21 Uhr geht es um das Thema „Warum Reisen anders werden müssen“ und ich freue mich sehr, dass ich zu diesem Zukunftsgespräch als Experte für nachhaltiges Reisen eingeladen bin. Vielleicht sehen wir uns ja. Das Bildungshaus Puchberg ersucht nach Möglichkeit um Anmeldung.
Wenn die Coronakrise hoffentlich bald vorbei ist, wird die Klimakrise leider immer noch da sein und uns fordern. Der Verkehrsclub Österreich VCÖ widmet sich in einer aktuellen Publikation dem Thema „Klimafaktor Reisen“. Flüge verursachen über 90 Prozent der Treibhausgas-Emissionen einer Urlaubsreise, Autofahrten über 40 Prozent. Die Bahn ist die klimaverträglichste Form der Anreise. Um die Klimakrise erfolgreich bewältigen zu können, muss auch die Umweltbilanz des Reisens stark verbessert werden. Das Ziel, die globale Erderhitzung auf höchstens 1,5 Grad zu begrenzen, ist nur erreichbar, wenn Flugverkehr und Kreuzschifffahrt zukünftig nicht mehr auf das Niveau von vor der Covid-19-Pandemie ansteigen. Der VCÖ stellt diese und alle anderen Publikationen als PDF kostenlos zur Verfügung. Bei Weltanschauen bemühen wir uns sehr, möglichst ökologisch zu reisen (siehe auch oben), aber auch in unserer individuellen beruflichen und privaten Mobilität sollen wir uns jedes Mal fragen, ob dieser Flug oder diese Autofahrt wirklich notwendig ist oder es nicht doch eine ökologischere Alternative gibt. Meine persönliche Anregung: bei jedem Weg überprüfen, ob ich zu Fuß oder mit dem Rad oder mit den Öffis an mein Ziel komme. Erst wenn das nicht möglich oder zumutbar ist, kommt das Auto ins Spiel und ganz zum Schluss das Flugzeug. Leider denken noch immer viel zu viele bei einer anstehenden Reise zuerst automatisch an Auto oder Flugzeug und ein erster wichtiger Schritt zur Verhaltensänderung ist, diesen Automatismus zu ändern.
Mittlerweile bin ich übrigens wieder zurück aus Venedig. Die Zugfahrt verging viel zu schnell, so schreibe ich den Newsletter jetzt an meinem Schreibtisch zu Ende. Venedig ist gerade sehr angenehm. Der Tourismus auf einem Niveau, wie er für die Stadt und ihre Menschen wahrscheinlich dauerhaft gut wäre. Die Stadt ist belebt, aber nicht voll, kein Geschiebe und Gedränge, der Markusplatz und die Rialtobrücke bequem „begehbar“ und am Lido jede Menge freie Liegestühle. Man bekommt leicht ein Zimmer und auch ohne Reservierung meist einen Platz in einer netten Slow Food Osteria (Buchtipp: der jährlich auch auf Deutsch von Slow Food Italia herausgegebene Gastroführer „Osterie d’Italia“, erhältlich im Buchhandel und bitte nicht bei amazon 😊). Mein Tipp zum Wohnen: Hotel Wildner. Familiengeführtes kleines Haus mit leistbaren Preisen in bester Lage. Dort nächtigen auch unsere Weltanschauen-Gruppen. Übrigens: für unsere Reise im November gibt es noch ein paar Plätze – aber auch alleine kann man Venedig gut entdecken.
Viele interessante Erfahrungen und Begegnungen beim Weltanschauen wünscht
Christoph Mülleder