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Haiden am Donnerstag

Kolumne vom Donnerstag, 29. Dezember 2016 (erschienen in den Oberösterreichischen Nachrichten)
Titel: Willkommen zurück in der Blase

Mein Wort des Jahres 2016 ist „Blase“. Nein, nicht die mit Stoffwechsel befasste, sondern sozusagen deren Gegenteil. Als Angehörige der Generation Digital Dino (also noch analog sozialisiert) habe ich gelernt, dass man sich in den Weiten des Internets und der dort verfügbaren Gemeinschaften so richtig einlullen lassen kann. Man erfährt nur mehr, was man will, ob politisch oder zum Zweck der Bespaßung.  Was meine Generation noch real mit Kaugummi übte - den klebrigen Chewing Gum möglichst spektakulär aufzublähen - passiert nun virtuell. Da meint man beispielsweise in Österreich auch 2016 mitten in einer Flüchtlingswelle ungeahnten Ausmaßes zu sitzen. Die Bilder im Kopf stammen zwar von 2015, aber das scheint nicht von Belang. Dringt die Nachricht, dass die Obergrenze für  neue Asylwerber in diesem Jahr gar nicht erreicht wurde, durch das Gewebe der dicht gesponnenen Vorurteile? Nein, sagen die Pessimisten. Sein gut eingerichtetes Bläschen verlässt man nur im Notfall wieder. Wen kümmert es, dabei oft nur williges Opfer anderer Interessen und gezielter Manipulation zu werden? Meinungen, die gezielt verbreitet werden, stammen oft schon von Maschinen, auch das habe ich heuer gelernt. Im amerikanischen Wahlkampf waren angeblich 40 Prozent der Meldungen auf Facebook sogenannte Bots, also von Robotern ausgesandte. Waren das noch Zeiten, als man die Rädelsführer in einem Dorf noch persönlich kannte. Da lebte man zwar auch in einer Blase, aber doch in einer übersichtlicheren. Womöglich ist die Blase die reguläre Verfassung unserer Wahrnehmung. Unser Gehirn ist den Anforderungen einer modernen, komplexen Welt kaum gewachsen. Denken Sie bloß, was Sie tun müssten, um beim Einkaufen einige Regeln zu beachten, die auf das Befinden anderer Rücksicht nehmen. Wer würde guten Gewissens shoppen, wenn gleichzeitig in Bangladesh tausende Menschen, die den Textilfabriken arbeiten, deren Waren wir als Schnäppchen jagen, gekündigt werden, weil sie sich die schlechten Löhne nicht mehr gefallen lassen? Wer könnte ein Stück Industriefleisch abbraten, wenn er die Tiere, von denen sie stammen, nur einigermaßen als Lebewesen sähe, die Respekt verdienen? Jede Blase ist auch ein Schutz vor zu viel Welt, manchmal auch vor zu viel Gefühl, vor allem Mitgefühl. Sensibel zu sein heißt, seine vielen Blasen, familiäre, politische, soziale, auf Durchlässigkeit zu trainieren: ab und zu mit jemandem reden, der ganz andere Auffassungen hat. Gelegentlich an einer anderen Welt teilhaben, wenn möglich real, die ganz anders ist als die eigene. Wer es nicht persönlich in diese Anderswelten schafft, kann lesen. Bücher beispielsweise. Dann taucht die Wahrnehmung über Stunden und in einem Tempo, das dem Gehirn Spielraum gibt, in andere Sphären. Die Rechenmaschine im Kopf schafft neue Verbindungen und versteht vielleicht sogar ganz Fremdes. Die schönste Blase sitzt unter der Schädeldecke. Sie ist durchlässig nach allen Seiten. Man muss das nur trainieren.

Christine.haiden@welt-der-frau.at
Dr. Christine Haiden ist Chefredakteurin der Zeitschrift Welt der Frau.