Koroška/Kärnten
Zu Besuch bei den Kärntner Slowenen
26. bis 30. Oktober 2016
Bericht von einer außergewöhnlichen Reise
Die erste Reise von Weltanschauen in Österreich führt uns mit Jozi Stern nach Kärnten. Jozi ist gebürtige Kärntner Slowenin. Sie lebt zwar seit 30 Jahren nicht mehr in Kärnten, aber sie ist mit der Kultur und Sprache der slowenischen Volksgruppe stark verwurzelt und mit den Geschichten aus ihrer Kindheit und Jugend weckt sie unser Verständnis aber auch unsere Neugier, was uns beim Besuch der Kärntner Slowenen erwarten wird.
Wir sind also mit einer LeserInnenreise der Zeitschrift Welt der Frau unterwegs ins südliche Kärnten und wollen mehr über die slowenische Volksgruppe erfahren, der wir genau genommen auch die Unabhängigkeit Österreichs verdanken. Genau auf den Spuren dieser Partisanen, die bewaffneten Widerstand gegen das Hitler-Regime geleistet haben, wollen wir unterwegs sein. Wir machen das mit Zdravko Haderlap, der uns in Železna Kapla/Bad Eisenkappel erwartet. Das Bewusstsein für die Geschichte der Kärntner Slowenen ist vor einigen Jahren durch den berührenden Roman „Engel des Vergessens“ seiner Schwester Maja Haderlap geweckt worden. Zdravko beginnt am Nachmittag unseres ersten Tages mit einer Wanderung durch Zeit und Raum in Železna Kapla/Bad Eisenkappel. Warum Zeit und Raum? Weil es ganz wichtig ist, wie die Geschichte und die Umgebung die Menschen prägen. Weil man verstehen muss, dass die karge Landschaft und die Enge des Tales auch was mit den Menschen machen. Durch dieses Tal führt nur eine einzige Straße und allein schon durch diese geografische Lage mussten sich die Menschen nach dem Krieg wieder begegnen und konnten einander nicht so einfach ausweichen. Vom Friedhof, wo alle ihre letzte Ruhestätte nebeneinander haben, seien es Slowenen, Deutsche oder kroatische Ustascha bis zur modernen Galerie Vorspann führt uns dieser Spaziergang durch Zeit und Raum. Interessant ist die Ruine des Hotels Obir, einst modernes Hotel, finanziert mit jugoslawischen Geldern zur Stärkung der vom Land Kärnten bewusst vernachlässigen Region, jetzt baufällige Erinnerung an den Realsozialismus. In der Galerie Vorspann gibt es eine interessante Installation, wo man sich vom Istzustand zu den Fotos aus den glanzvollen Tagen klicken kann.
Am Abend besucht uns Franz Josef Smrtnik, seines Zeichens der slowenische Bürgermeister von Železna Kapla/Bad Eisenkappel. Er hat auch einen interessanten Lebenslauf, vom Jugendlichen, der sich an die zweisprachigen Ortstafeln ankettete, bis zum ersten slowenischen Bürgermeister in einer Kärntner Gemeinde. Heute wird in Železna Kapla/Bad Eisenkappel bei Veranstaltungen die Landeshymne zweisprachig gesungen. Das akzeptiert mittlerweile auch der Kärntner Heimatdienst bei der gemeinsamen Feier am 10. Oktober. Am 10. Oktober 1920 ging die Volksabstimmung mehrheitlich für den Verbleib Kärntens bei Österreich aus und dieser Tag ist für alle ein wichtiger Gedenktag. Und wir erfahren, dass Eisenkappel eine Vorzeigegemeinde in Sachen Nachhaltigkeit ist.
Am nächsten Tag bringt uns der Bus zum Vinklhof, dem Elternhaus von Zdravko und Maja Haderlap und ihren Geschwistern. Zdravko macht mit uns eine Wanderung auf den Spuren der Partisanen. Wir sind bei schönem Herbstwetter unterwegs, aber seine Geschichten aus dieser Zeit lassen uns frösteln. Die Bruchlinien sind durch die Familien gegangen. Die Partisanen in den Wäldern und alle, die sie unterstützt haben, mussten auf der Hut sein und sich vor Allem und Jedem in Acht nehmen. Die Hitlerarmee besetzte 1941 Teile des Königsreichs Jugoslawien, die slowenische Volksgruppe war Ziel des Terrors der Nationalsozialisten und der bewaffnete Widerstand war die logische Folge. Zdravko hat einen ganzen Rucksack voller Bücher mit und die Texte von Maja Haderlap, Peter Handke, Florjan Lipuš usw. sind in dieser Umgebung noch eindringlicher. Wir sind stundenlang unterwegs, aber es kommt uns nicht so vor. So interessant ist alles, was uns Zdravko erzählt. So eindringlich und auch gleichzeitig so unwirklich ist es, in dieser wunderbaren herbstlich gefärbten Landschaft von den Gräueltaten des Hitler-Regimes gegen die slowenische Volksgruppe zu hören. Über diese Geschichte(n) durfte bis in die 70er Jahre praktisch nicht gesprochen werden. Dass heute diese Wanderungen auch Teil eines sanften und nachhaltigen Tourismuskonzeptes sind, von dem die Region wirtschaftlich belebt wird, ist ein weiterer Baustein. Im Berggasthof Riepl können wir uns von der kulinarischen Qualität überzeugen. Der Wirt ist begeisterter Schwammerlsucher und das Risotto mit den Trompetenpilzen ist fantastisch. Aber auch die Auswahl an Kärntner Kasnudeln überzeugt die Feinspitze in der Reisegruppe.
Was noch erwähnenswert ist, unser bequemer großer Reisebus wird von Busfahrer Norbert sicher durch alle Haarnadelkurven und knapp vorbei an schroffen Abgründen gelenkt. So bringt er uns auch sicher vom Berggasthof Riepl zum Berghof Brunner, deren Zufahrten nicht wirklich für große Busse gedacht sind. Im Berggasthof Brunner genießen wir während unseres Aufenthaltes die Kärntner Gastlichkeit, gutes Essen, schöne Zimmer und ein wunderbarer Ausblick.
Am nächsten Tag steht Celovec /Klagenfurt am Programm. Beim Besuch im slowenischen Gymnasium erzählt uns der ehemalige Slowenischprofessor von Jozi, wie der Unterricht abläuft und dass es heute auch schon eine dreisprachige Klasse gibt, wo wechselweise Italienisch, Deutsch und eben Slowenisch unterrichtet wird. Aus allen 3 Ländern kommen die SchülerInnen und leisten jetzt und sicher auch später ihren Beitrag zur Völkerverständigung in der Region. Die slowenische Sprache war früher in der bäuerlichen Kultur stark verankert. Heute gibt es eine starke Verschiebung in den städtischen Bereich. Die Akademikerquote unter den AbsolventInnen des Gymnasiums ist sehr hoch, was aber auch dazu führt, dass viele Kärntner SlowenInnen zum Studium nach Graz oder Wien gehen und nicht mehr nach Kärnten zurückkommen.
Und ganz toll ist dann auch der Besuch bei Lojze Wieser. Wir haben nicht nur Gelegenheit zum Bücherschmökern, Lojze erzählt uns wortgewandt und mit seinen Lieblingsgedichten untermalt, für wie wichtig er die Rolle der Literatur für das Verständnis und das Zusammenleben der Völker und Volksgruppen hält. Erst 1980 wurden die ersten slowenischen Bücher ins Deutsche übersetzt. Und das trotz der jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte in der Donaumonarchie. Lojze ist eine charismatische Persönlichkeit und die Stunde im Wieser Verlag vergeht wie im Flug.
Bei unserer Mittagspause dürfen wir ein Sozialprojekt der Caritas Kärnten kennenlernen, im MAGDAS Lokal sind wir die ersten, die von der internationalen Küchenmannschaft bewirtet werden. Caritasdirektor Marketz stellt uns das Projekt kurz vor. Im Magdas haben Asylberechtigte die Chance auf Arbeit und Ausbildung und der algerische Koch tischt Spezialitäten aus seiner Heimat auf. Magdas Lokal, ich mag das, nämlich die lokalen und regionalen Zutaten, die zu internationalen Köstlichkeiten verarbeitet werden. In Räumlichkeiten, die mit einer geschickten Kombination aus alten Möbeln und neuen Baustoffen zum gemeinsamen Tafeln einladen. Danach machen wir uns mit Sonja Wakounig, einer gebürtigen Slowenin, auf, um die Stadt Celovec /Klagenfurt zu erkunden. Kurzweilig und mit einem Schuss Ironie machen wir auch hier einen lehrreichen Spaziergang. Man muss wissen, dass es in Kärnten nach dem 2. Weltkrieg praktisch keine Entnazifizierung gegeben hat und dass das ein wesentlicher Grund für die lang dauernde Aussöhnung zwischen den Volksgruppen war. Der Streit um die zweisprachigen Ortstafeln war ein Symbol für die fehlende Akzeptanz, dahinter verbarg sich noch viel mehr.
Wunderschöne Wanderung am Vormittag des nächsten Tages und ein Ausflug in das Rož / Rosental, wo wir ein weiteres Beispiel für gelebte Zweisprachigkeit antreffen. Olga und Markus Voglauer, Heumilchpioniere und begeisterte Biobauern. Zwei Generationen am Hof, deren ober- bzw. niederösterreichische EhepartnerInnen die Zweisprachigkeit mit einer Selbstverständlichkeit leben, die manch gebürtigem Kärntner abgeht. Auf diesem Hof geht es um Rohmilch und hochwertige Milchprodukte. Großes Fachwissen, viel Begeisterung und das gelebte Selbstverständnis, dass hochwertige Produkte auch von den KonsumentInnen wertgeschätzt und nachgefragt werden.
Die Sternstunde des Abends ist für alle der Gesang der Familie Stern. Jozi hat ihre Familie zusammengetrommelt und die fast 80jährige Mutter kommt mit Schwester, Kindern, Schwiegerkindern und Enkeln. Nicht mit allen 10 Kindern, aber die, die da sind, bringen eine Auswahl Kärntner Lieder zum Vortrag und alle sind berührt. Der Mutter hat es hoffentlich auch gefallen, immerhin postet sie das am nächsten Tag gleich auf Facebook!
Was steht am letzten Tag auf dem Programm? Pliberk/Bleiburg mit Milan Piko. Milan ist vielseitig in Sachen Kultur unterwegs. Und auch er hat in diesem Bereich schon eine wechselvolle Geschichte erlebt. Musste er sich in seiner Kindheit auf dem Heimweg von der slowenischen Schule noch vor den Attacken der Gleichaltrigen aus der deutschen Volksgruppe fürchten, so ist es heute selbstverständlich, dass bei ziemlich allen Kulturveranstaltungen zweisprachig begrüßt wird. Milan erzählt uns, wie wichtig die Kultur und die Kulturvereine für den Erhalt des Slowenischen waren und sind. Und wie sehr sich gerade in den letzten Jahren (seit die FPÖ in Kärnten abgewählt wurde) der gegenseitige Respekt und die Wertschätzung entwickelt haben. Das slowenische Kulturhaus in Pliberk/Bleiburg musste Mitte der 90er Jahre noch mit finanzieller Hilfe aus Slowenien erbaut werden, heute gibt es erfolgreiche gemeinsame grenzüberschreitende EU-Projekte für die ganze Region.
Nach einem guten und reichhaltigen Mittagessen im Slowfood-Gasthaus Hafner und einem Besuch im architektonisch interessanten Museum Liaunig machen wir uns wieder auf die Heimreise. Mit vielen neuen Eindrücken, viel mehr Wissen und viel mehr Verständnis, wie wichtig es ist, sprachliche Vielfalt und andere Kulturen zu pflegen und zu erhalten. Und wir hatten das Glück, mit vielen netten, offenen und interessanten Menschen in der Reisegruppe unterwegs zu sein.
31. Oktober 2016, Christa Mülleder (Reiseteilnehmerin)
Die erste Reise von Weltanschauen in Österreich führt uns mit Jozi Stern nach Kärnten. Jozi ist gebürtige Kärntner Slowenin. Sie lebt zwar seit 30 Jahren nicht mehr in Kärnten, aber sie ist mit der Kultur und Sprache der slowenischen Volksgruppe stark verwurzelt und mit den Geschichten aus ihrer Kindheit und Jugend weckt sie unser Verständnis aber auch unsere Neugier, was uns beim Besuch der Kärntner Slowenen erwarten wird.
Wir sind also mit einer LeserInnenreise der Zeitschrift Welt der Frau unterwegs ins südliche Kärnten und wollen mehr über die slowenische Volksgruppe erfahren, der wir genau genommen auch die Unabhängigkeit Österreichs verdanken. Genau auf den Spuren dieser Partisanen, die bewaffneten Widerstand gegen das Hitler-Regime geleistet haben, wollen wir unterwegs sein. Wir machen das mit Zdravko Haderlap, der uns in Železna Kapla/Bad Eisenkappel erwartet. Das Bewusstsein für die Geschichte der Kärntner Slowenen ist vor einigen Jahren durch den berührenden Roman „Engel des Vergessens“ seiner Schwester Maja Haderlap geweckt worden. Zdravko beginnt am Nachmittag unseres ersten Tages mit einer Wanderung durch Zeit und Raum in Železna Kapla/Bad Eisenkappel. Warum Zeit und Raum? Weil es ganz wichtig ist, wie die Geschichte und die Umgebung die Menschen prägen. Weil man verstehen muss, dass die karge Landschaft und die Enge des Tales auch was mit den Menschen machen. Durch dieses Tal führt nur eine einzige Straße und allein schon durch diese geografische Lage mussten sich die Menschen nach dem Krieg wieder begegnen und konnten einander nicht so einfach ausweichen. Vom Friedhof, wo alle ihre letzte Ruhestätte nebeneinander haben, seien es Slowenen, Deutsche oder kroatische Ustascha bis zur modernen Galerie Vorspann führt uns dieser Spaziergang durch Zeit und Raum. Interessant ist die Ruine des Hotels Obir, einst modernes Hotel, finanziert mit jugoslawischen Geldern zur Stärkung der vom Land Kärnten bewusst vernachlässigen Region, jetzt baufällige Erinnerung an den Realsozialismus. In der Galerie Vorspann gibt es eine interessante Installation, wo man sich vom Istzustand zu den Fotos aus den glanzvollen Tagen klicken kann.
Am Abend besucht uns Franz Josef Smrtnik, seines Zeichens der slowenische Bürgermeister von Železna Kapla/Bad Eisenkappel. Er hat auch einen interessanten Lebenslauf, vom Jugendlichen, der sich an die zweisprachigen Ortstafeln ankettete, bis zum ersten slowenischen Bürgermeister in einer Kärntner Gemeinde. Heute wird in Železna Kapla/Bad Eisenkappel bei Veranstaltungen die Landeshymne zweisprachig gesungen. Das akzeptiert mittlerweile auch der Kärntner Heimatdienst bei der gemeinsamen Feier am 10. Oktober. Am 10. Oktober 1920 ging die Volksabstimmung mehrheitlich für den Verbleib Kärntens bei Österreich aus und dieser Tag ist für alle ein wichtiger Gedenktag. Und wir erfahren, dass Eisenkappel eine Vorzeigegemeinde in Sachen Nachhaltigkeit ist.
Am nächsten Tag bringt uns der Bus zum Vinklhof, dem Elternhaus von Zdravko und Maja Haderlap und ihren Geschwistern. Zdravko macht mit uns eine Wanderung auf den Spuren der Partisanen. Wir sind bei schönem Herbstwetter unterwegs, aber seine Geschichten aus dieser Zeit lassen uns frösteln. Die Bruchlinien sind durch die Familien gegangen. Die Partisanen in den Wäldern und alle, die sie unterstützt haben, mussten auf der Hut sein und sich vor Allem und Jedem in Acht nehmen. Die Hitlerarmee besetzte 1941 Teile des Königsreichs Jugoslawien, die slowenische Volksgruppe war Ziel des Terrors der Nationalsozialisten und der bewaffnete Widerstand war die logische Folge. Zdravko hat einen ganzen Rucksack voller Bücher mit und die Texte von Maja Haderlap, Peter Handke, Florjan Lipuš usw. sind in dieser Umgebung noch eindringlicher. Wir sind stundenlang unterwegs, aber es kommt uns nicht so vor. So interessant ist alles, was uns Zdravko erzählt. So eindringlich und auch gleichzeitig so unwirklich ist es, in dieser wunderbaren herbstlich gefärbten Landschaft von den Gräueltaten des Hitler-Regimes gegen die slowenische Volksgruppe zu hören. Über diese Geschichte(n) durfte bis in die 70er Jahre praktisch nicht gesprochen werden. Dass heute diese Wanderungen auch Teil eines sanften und nachhaltigen Tourismuskonzeptes sind, von dem die Region wirtschaftlich belebt wird, ist ein weiterer Baustein. Im Berggasthof Riepl können wir uns von der kulinarischen Qualität überzeugen. Der Wirt ist begeisterter Schwammerlsucher und das Risotto mit den Trompetenpilzen ist fantastisch. Aber auch die Auswahl an Kärntner Kasnudeln überzeugt die Feinspitze in der Reisegruppe.
Was noch erwähnenswert ist, unser bequemer großer Reisebus wird von Busfahrer Norbert sicher durch alle Haarnadelkurven und knapp vorbei an schroffen Abgründen gelenkt. So bringt er uns auch sicher vom Berggasthof Riepl zum Berghof Brunner, deren Zufahrten nicht wirklich für große Busse gedacht sind. Im Berggasthof Brunner genießen wir während unseres Aufenthaltes die Kärntner Gastlichkeit, gutes Essen, schöne Zimmer und ein wunderbarer Ausblick.
Am nächsten Tag steht Celovec /Klagenfurt am Programm. Beim Besuch im slowenischen Gymnasium erzählt uns der ehemalige Slowenischprofessor von Jozi, wie der Unterricht abläuft und dass es heute auch schon eine dreisprachige Klasse gibt, wo wechselweise Italienisch, Deutsch und eben Slowenisch unterrichtet wird. Aus allen 3 Ländern kommen die SchülerInnen und leisten jetzt und sicher auch später ihren Beitrag zur Völkerverständigung in der Region. Die slowenische Sprache war früher in der bäuerlichen Kultur stark verankert. Heute gibt es eine starke Verschiebung in den städtischen Bereich. Die Akademikerquote unter den AbsolventInnen des Gymnasiums ist sehr hoch, was aber auch dazu führt, dass viele Kärntner SlowenInnen zum Studium nach Graz oder Wien gehen und nicht mehr nach Kärnten zurückkommen.
Und ganz toll ist dann auch der Besuch bei Lojze Wieser. Wir haben nicht nur Gelegenheit zum Bücherschmökern, Lojze erzählt uns wortgewandt und mit seinen Lieblingsgedichten untermalt, für wie wichtig er die Rolle der Literatur für das Verständnis und das Zusammenleben der Völker und Volksgruppen hält. Erst 1980 wurden die ersten slowenischen Bücher ins Deutsche übersetzt. Und das trotz der jahrhundertelangen gemeinsamen Geschichte in der Donaumonarchie. Lojze ist eine charismatische Persönlichkeit und die Stunde im Wieser Verlag vergeht wie im Flug.
Bei unserer Mittagspause dürfen wir ein Sozialprojekt der Caritas Kärnten kennenlernen, im MAGDAS Lokal sind wir die ersten, die von der internationalen Küchenmannschaft bewirtet werden. Caritasdirektor Marketz stellt uns das Projekt kurz vor. Im Magdas haben Asylberechtigte die Chance auf Arbeit und Ausbildung und der algerische Koch tischt Spezialitäten aus seiner Heimat auf. Magdas Lokal, ich mag das, nämlich die lokalen und regionalen Zutaten, die zu internationalen Köstlichkeiten verarbeitet werden. In Räumlichkeiten, die mit einer geschickten Kombination aus alten Möbeln und neuen Baustoffen zum gemeinsamen Tafeln einladen. Danach machen wir uns mit Sonja Wakounig, einer gebürtigen Slowenin, auf, um die Stadt Celovec /Klagenfurt zu erkunden. Kurzweilig und mit einem Schuss Ironie machen wir auch hier einen lehrreichen Spaziergang. Man muss wissen, dass es in Kärnten nach dem 2. Weltkrieg praktisch keine Entnazifizierung gegeben hat und dass das ein wesentlicher Grund für die lang dauernde Aussöhnung zwischen den Volksgruppen war. Der Streit um die zweisprachigen Ortstafeln war ein Symbol für die fehlende Akzeptanz, dahinter verbarg sich noch viel mehr.
Wunderschöne Wanderung am Vormittag des nächsten Tages und ein Ausflug in das Rož / Rosental, wo wir ein weiteres Beispiel für gelebte Zweisprachigkeit antreffen. Olga und Markus Voglauer, Heumilchpioniere und begeisterte Biobauern. Zwei Generationen am Hof, deren ober- bzw. niederösterreichische EhepartnerInnen die Zweisprachigkeit mit einer Selbstverständlichkeit leben, die manch gebürtigem Kärntner abgeht. Auf diesem Hof geht es um Rohmilch und hochwertige Milchprodukte. Großes Fachwissen, viel Begeisterung und das gelebte Selbstverständnis, dass hochwertige Produkte auch von den KonsumentInnen wertgeschätzt und nachgefragt werden.
Die Sternstunde des Abends ist für alle der Gesang der Familie Stern. Jozi hat ihre Familie zusammengetrommelt und die fast 80jährige Mutter kommt mit Schwester, Kindern, Schwiegerkindern und Enkeln. Nicht mit allen 10 Kindern, aber die, die da sind, bringen eine Auswahl Kärntner Lieder zum Vortrag und alle sind berührt. Der Mutter hat es hoffentlich auch gefallen, immerhin postet sie das am nächsten Tag gleich auf Facebook!
Was steht am letzten Tag auf dem Programm? Pliberk/Bleiburg mit Milan Piko. Milan ist vielseitig in Sachen Kultur unterwegs. Und auch er hat in diesem Bereich schon eine wechselvolle Geschichte erlebt. Musste er sich in seiner Kindheit auf dem Heimweg von der slowenischen Schule noch vor den Attacken der Gleichaltrigen aus der deutschen Volksgruppe fürchten, so ist es heute selbstverständlich, dass bei ziemlich allen Kulturveranstaltungen zweisprachig begrüßt wird. Milan erzählt uns, wie wichtig die Kultur und die Kulturvereine für den Erhalt des Slowenischen waren und sind. Und wie sehr sich gerade in den letzten Jahren (seit die FPÖ in Kärnten abgewählt wurde) der gegenseitige Respekt und die Wertschätzung entwickelt haben. Das slowenische Kulturhaus in Pliberk/Bleiburg musste Mitte der 90er Jahre noch mit finanzieller Hilfe aus Slowenien erbaut werden, heute gibt es erfolgreiche gemeinsame grenzüberschreitende EU-Projekte für die ganze Region.
Nach einem guten und reichhaltigen Mittagessen im Slowfood-Gasthaus Hafner und einem Besuch im architektonisch interessanten Museum Liaunig machen wir uns wieder auf die Heimreise. Mit vielen neuen Eindrücken, viel mehr Wissen und viel mehr Verständnis, wie wichtig es ist, sprachliche Vielfalt und andere Kulturen zu pflegen und zu erhalten. Und wir hatten das Glück, mit vielen netten, offenen und interessanten Menschen in der Reisegruppe unterwegs zu sein.
31. Oktober 2016, Christa Mülleder (Reiseteilnehmerin)