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Reisebericht Kosice, Transkarpatien und Lemberg

Auf den Spuren der europäischen Kultur einst und jetzt
Sa 29.6.2013 bis So 7.7.2013

Das harte Brot der „Landler“ in den Waldkarpaten

Königsfeld (APA), im Juli – Nicht weit von der slowakischen Grenze in den ukrainischen Waldkarpaten liegt  Ust-Tschorna, zu deutsch Königsfeld. Das malerische Dörfchen mit seinen 4500 Einwohnern, den tief geduckten, ebenerdigen Holzhäusern und der leuchtend blauen Kirche mit ihren glänzenden goldenen Kuppeln liegt am Ende eines langen, schmalen Bergtales, des Teresvatales (Theresiental). Es hat eine Besonderheit zu bieten: Noch heute lebt dort  eine kleine deutschsprachige Gemeinschaft, die Landler. Eingewandert in die Transkarpaten sind die meisten von ihnen aus dem Salzkammergut zur Zeit von Kaiserin Maria-Theresia im 18. Jahrhundert. 
 
Eine holprige, mit Schlaglöchern übersäte Strasse führt durch das Tal. Immer wieder muss der Bus mit Holzstämmen schwer beladenen Lastwagen ausweichen. Die Gleise der Schmalspurbahn entlang des Flusses, die noch aus den Zeiten von Kaiser Franz-Josef stammt, sind durch zwei Hochwasser zerstört worden, einmal 1998 und nochmals 2001. Seitdem muss die Strasse für die Holztransporte herhalten.
 
Wer dringend ins Krankenhaus in der 60 km entfernt gelegenen Kreisstadt gebracht werden muss, weil er einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten hat, riskiert die 3 Stunden lange Fahrt auf der schlechten Strasse nicht zu überleben, erzählt der Deutschlehrer Valentin Kals. Schwangere Frauen haben bereits unterwegs entbunden. In Königsfeld  selber gibt es nur noch eine Ambulanz für die medizinische Grundversorgung.
  
Aus Ärger über die unhaltbaren Zustände veranstaltete die Bevölkerung am 14. Juli eine Protestaktion. Die Strasse wurde vorübergehend für den LKW-Verkehr gesperrt. Es gehe nicht an, dass die Hauptverantwortlichen für die Schäden, die LKWs, nicht einmal Steuern für die Benutzung der Infrastruktur bezahlen müssten, betont die militante ehemalige Schuldirektorin, Julia Kosjuk. Die Gemeinde fordere den Bau einer neuen Strasse, um aus der Isolation herauszukommen, kündigt die stattliche Mittfünfzigerin mit den blitzblauen Augen an.
 
Der Wald  befindet sich in Staatsbesitz. Aber der Kahlschlag ohne Rücksicht auf die Umwelt und ohne Wiederaufforstung ist zum Teil illegal, wie die Dorfbewohner andeuten. Ihnen bringt der Holzreichtum in dem dicht bewaldeten Gebiet nichts, weil fast alles ins nahe Ungarn exportiert und dort für die Herstellung billiger Ikea-Möbel verwendet wird. Die lokale Produktion ist eingegangen.“Für uns gibt es hier keine Arbeit und keine Zukunftsperspektiven“, meint Kals. Sein sehnlichster Wunsch ist der Ukraine nach der Pensionierung den Rücken zu kehren. Vielleicht kann er nach Österreich auswandern, wo sein Bruder lebt. Wenn da nicht die über achtzigjährigen Eltern und seine Kinder wären…
 
Der Tourismus in den Waldkarpaten mit ihren bis zu 2000 m hohen Bergen ist seit den 50er Jahren weitgehend zusammengebrochen. Damals waren einige Hotels errichtet und sogar ein Thermalbad eröffnet worden Nach der Ostöffnung und der Umstellung von der Planwirtschaft auf die freie Marktwirtschaft gingen viele Betriebe ein, die Arbeitslosigkeit stieg an. Heute gibt es wieder einen zaghaften Neubeginn. Der Bäckermeister von Königsfeld, ein kräftiger dunkelhaariger Mann, lädt die Touristen auf ein seltsames Gefährt - halb alter englsicher Bus mit verschlissenen Plastiksitzen, halb Traktor – und bringt sie über einen tief zerfurchten, felsigen Forstweg in einer wilden Höllenfahrt auf  eine idyllische Alm hinauf. Oben wird dann der traditionelle Eintopf auf offenem Feuer gekocht, die Touristen genießen den Blick in die weite, bewaldete Gebirgslandschaft.  
 
Einst hatte der Wald die Basis für den Wohlstand der Aussiedler gebildet. Die Bauernhäuser mit ihren tief heruntergezogenen Schindeldächern erinnern an den Stil im Salzkammergut des 18. Jahrhunderts. Die Aussiedler waren zumeist evangelische Familien, die sich weigerten, zum Katholizismus überzutreten. Sie wurden geholt, um ihr Fachwissen bei der Holzschlegerei einzubringen. Holz war damals ein wichtiger Rohstoff, um Salz in der nahen Marmarosch zu gewinnen. Die 114 Männer, Frauen und Kinder aus Ebensee, 87 aus Ischl und 27 aus anderen „Kammergutorten“ reisten am 6. Oktober 1775 von Gmunden per Schiff ab und kamen am 9. November im 1100 Kilometer entfernten Deutsch-Mokra an, wie es in historischen Quellen heisst. Den ersten Winter mussten sie in den Erdhäusern der einheimischen Ruthenen verbingen. Viele wurden krank, wären am liebsten in die Heimat zurückgekehrt. Doch dann überwanden sie die schwierigen Anfänge. Bescheidener Wohlstand und Kinderreichtum bewogen die Einwanderer 1815 talabwärts Königsfeld zu gründen.
 
Das abgelegene Bergtal hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Nach der österreichischen, Verwaltung fiel es mit dem „österreichisch-ungarischen Auslgeich“ 1868  an Ungarn, nach dem Ersten Weltkrieg ging es an die Tschechoslowakei. Bereits unter Ungarn war die deutsche Sprache verboten worden, noch schlechter erging es den Menschen unter der Tschechoslowakei. Privilegien fielen, Verträge wurden gekündigt, die Talbewohner sollten zu Slowaken „umerzogen“ werden. 1944  unter den Sowjets wurden fast alle vertrieben oder nach Sibirien zur Zwangsarbeit verschleppt. Die Häuser der Landler besetzten Ukrainer oder trugen sie ab. Die seit Generationen ansässigen Deutschsprachigen galten nur mehr als eine mehr schlecht als recht geduldete „fremde Minderheit“ in den von ihnen gegründeten Dörfern. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges wanderten die meisten Deutschsprachigen nach Deutschland aus, einige auch nach Oberösterreich.    
Die wechselvolle Geschichte des Tales spiegelt sich auch in den zahlreichen Sprachen wider, die hier gesprochen werden: neben russisch und ukrainisch auch ungarisch und rumänisch. Deutsch ist jedoch eine der wichtigsten Sprachen geblieben. Es wird noch immer 7 Jahre lang an der Schule unterrichtet, obwohl sehr viele Deutschsprachige nach dem Fall des Eisernen Vorhanges 1991 ausgewandert sind, zum Grossteil nach Deutschland, aber auch nach Österreich. Heute leben noch etwa 300 Deutschsprachige im Theresiental. Aber trotzdem fühlen sie sich mit Österreich verbunden. Dazu tragen auch Besuche bei, wie sie der für die Auslandshilfe der Caritas Oberösterreich zuständige Christoph Mülleder mit seiner Reiseagentur „Weltanschauen“ organisiert.
 
Die oberösterreichische Landlerhilfe organisiert seit einigen Jahren Ferien in Oberösterreich für Kinder aus den Landlerdörfern  aus Hermannstadt (Siebenbürgen) und Oberwischau in Rumänien, und aus dem ukrainischen Theresiental. In diesen Wochen sind wieder rund 100 Kinder mit ihrem Lehrer Bogdan Kosjuk nach Oberösterreich geschickt worden. Bis zuletzt war offen, ob sie die erforderlichen Visa erhalten würden. Zwei österreichische Zivildiener helfen jedes Jahr bei der Vorbereitung der Ferienaktion. Oberösterreich unterstützt ausserdem  einkommensschwache Familien aus dem Theresiental  finanziell und mit Weihnachtspaketaktionen. Für die Landler bedeutet dies mehr als nur Ferien. „Vergesst uns nicht“, sagt Julia Kosjuk nach einem in der Volksschule zubereiteten, schmackhaften Abschiedsessen  für die Reisegruppe mit einem verdächtigen Glitzern in ihren Augen.

Denise Cles