WELTANSCHAUEN - einfach reisen zu Land und Leuten

Das Grüne Band pilgernd begehen

Der ICE von Wien kommend hat 40 Minuten Verspätung. In Linz warten wir auf den Zug, weil zwei unserer Weltanschauen-Gruppe drinnen sitzen. In Passau warten nochmals zwei. Es geht sich aus. Am Bahnsteig in Passau finden wir einander, die 16 Frauen und Männer, um den Regionalzug nach Plattling und von dort nach Bayrisch-Eisenstein zu erreichen. Wir wollen das Grüne Band durch den Bayrischen Wald und den Böhmerwald bis Bad Leonfelden sieben Tage lang pilgernd begehen.


Tag 1

Der Zug hält. Die tschechisch-deutsche Grenze liegt ein paar Meter vor uns. Den Hohen Arber haben wir aus dem Fenster betrachtet. Alle Rücksäcke werden geschultert. Am Vorplatz des wunderbaren Bahnhofsgebäudes ist buntes Treiben, ein Flohmarkt, der zweimal im Jahr stattfindet, dazu Musik und Tanz. Wir schnuppern, nehmen die Luft auf, trinken noch Kaffee und starten dann los. Über eine Stunde gehen wir direkt am Grenzpfad entlang, bergauf und dann wieder bergab. Das Falkenstein-Schutzhaus ist heute unser Ziel. Der kontinuierliche Aufstieg auf Wegen und Pfaden durch Schachten, Wiens und Wäldern mit den abgestorbenen Bäumen lässt uns staunen, und viel atmen. Die Gemütlichkeit der Hütte, das gute Essen und die tolle Aussicht erfreuen uns. Abends erzählt eine Teilnehmerin sehr berührend, wie sie 1979 aus der Tschechoslowakei über Slowenien der kommunistischen Diktatur mit Familie entflohen ist. Der Eiserne Vorhang als tödliche und freiheitsberaubende Grenze ist erstmals voll präsent.

     
 

Tag 2

Alle haben gut geschlafen, gute und erwartungsvolle Stimmung begleitet das einfache Frühstück. Das leichte Liederbuch brauchen wir, um den Morgenimpuls zum Klingen zu bringen, direkt beim Gipfelkreuz mit Blick auf Zwiesel hinunter. Die Sonne scheint uns an. Die Pfade und Wege führen am Kamm entlang Richtung Großer Rachel, den wir allerdings links oben liegen lassen. Buchenau und Frauenau sind unsere Orte im Tal, die Waldbahn unser Gefährt nach Spiegelau, die Füsse unser Transportmittel zu unserer Unterkunft im Tannenhof. Der zweite Tag läßt den Körper „fühlen“, zeigt ihm Spannungszonen und legt Schmerzen dorthin, die – so meine Erfahrung – morgen wir „ver-gehen“.

     
 

Tag 3

Die Igel-Busse sind eine tolle Sache im Nationalpark Bayrischer Wald. Wer hier eine Gästekarte hat (also übernachtet), kann den Bus kostenlos verwenden. Wir steigen mit ihm wieder in unseren Weg ein mit der Fahrt zur Rachel Diensthütte. Damit geht es am Goldsteig wieder Richtung Osten, hinauf und dann lange hinüber Richtung Lusen, den wir über die „Himmelsstiege“ etwas schneller atmend besteigen. Ein Berg, den wir als besonderen „Felshaufen“ in Erinnerung behalten. Vor dem Ab- und Aufstieg nach Finsterau genießen wir die Mittagszeit in der Lusen-Schutzhaus. Zeit- und Kilometerangaben sind nicht mehr wichtig. Sie fehlen auch hier in diesem Beitrag komplett. Wir checken im Bärenriegel ein und die Küche verwöhnt uns mit einem feinen Abendessen. Es ist kühl da oben, auf etwa 900 Höhenmeter.

     

Tag 4

Mauth ist ein besonderer Lusen-Ort. Von dort gehen wir über den Amberg auf einem langen Kirchensteig hinauf. Ich mag Kirchensteige aus ganz alten Zeiten, weil sie einfach mit einer konstanten Steigung  zum Schweigen verleiten. Das tun wir auch. Schweigend geht es nach oben zur Aussichtsplattform, von wo wir unseren Startpunkt sehen können. „So weit sind wir heute schon gegangen?“, immer wieder das Erstaunen nach 2 1/2 Stunden, wie weit einem die Füße tragen. Oft denke ich mir, dass den Menschen die „seelenkompatible gehende Fortbewegung“ abhanden gekommen ist. Das dortige Schigebiet bekommt einen neuen Sessellift, größeren Teich zu Beschneiung und ein umfassendes Update für den Winterbetrieb. Nicht nur wir fragen uns, ob dieses Geld hier gut investiert ist, wenn wir an die Winter, den Schnee und den Klimawandel denken. In Philippsreuth nimmt uns der Wanderbus auf und bringt uns zum Dreisesselberg. Der Aufstieg dorthin ist damit kurz, der späte Nachmittag zu Erholung gegeben, zum Genießen dieser „drei Sessel“. Ein Gewitterregen treibt alle in die Hütte mit der dankbaren Feststellung: Gut, dass wir schon da sind. Der junge Hüttenwirt Philipp setzt sich abends noch zu uns, teilt seine Ideen zum Berggasthof Dreisessel. Er verrät: Schnitzel und Würstel sind schon von der Karte verschwunden, es geht in Richtung vergetarisch und vegan. Sehr spannend und mutig. Unseren Zuspruch hat er.

 
 

Tag 5

Schlafen. Die Wettervorhersage für die heutige Strecke Dreisesselberg – Plöckensteine – Dreiländereck – Reischlberg – Hochficht bis Schöneben hat alle Regenutensilien hervorgeholt. Gleich beim Morgenimpuls beginnt es zu regnen, lässt aber nochmals für 1 1/2 Stunden etwas nach, um später dafür durchgehend unser stundenlanges Gehen zu „bewässern“. Die Berggipfel haben nicht jene Werschätzung unsererseits bekommen, die sie sonst bekommen. Regen schränkt ein, Sicht und Sichtweisen, das Hören und Wahrnehmen. Ich rufe allen in Erinnerung, was Bob Marley gesagt haben soll: „Some people feel the rain, others get just wet.“ Wir fühlen den Regen – und werden gut naß. Die Waldhäuser in Ramenai lassen uns wieder trocken werden, gutes Essen stärkt und Erzählungen und Lieder erfüllen den Raum. Auch hier erzählt Günter, der international als Berg- und Tourenführer unterwegs war, was er mit diesen Ramenai-Häusern im Wald den Menschen ermöglichen will. Einfach berührend und wir spüren, er tut, was er sagt.

    
 

Tag 6

Blauer Himmel liegt über den tiefen Temperaturen im Wald. Das gemeinsame Frühstück im „Forsthaus“ (das Haupthaus) lässt uns die Tagesetappe freudig erwarten. Wunderbare Waldpfade spüren unser Füsse unter den Schuhen. Das einfallende Sonnenlicht erhellt alles, auch unsere Gemüter. Am Schwarzenberg’schen Schwemmkanal entlang finden wir in St. Oswald um die Mittagszeit eine Kaffeemaschine in der Baustelle. Baustelle? Ja, eine neu gegründete Genossenschaft finalisiert gerade die Location „Steilstufen-Wirt“. Der Obmann der Genossenschaft ist zufällig da und erzählt von diesem Gemeinwohl-Projekt. Wunderbar, ermutigend. Der zukünftige Wirt holt Behelfsgläser heraus, um uns den Kaffee zu ermöglichen. Weltanschauen, Welterleben, Weltbegegnen hier wieder einmal am Punkt. Danke. Hinunter zur Großen Mühl, dort fast eine Stunde entlang des ruhig fließenden Wassers treffen wir in Haslach ein. Wir beziehen die Zimmer im Risano und gehen zum Kirchenwirt und zur Kirchenwirtin auf ein phänomenales Abendessen. Empfehlenswert.

  
 

Tag 7

277 steht auf dem Bus, der uns nach Guglwald mitnimmt. Die ganze Strecke wäre zu weit gewesen. Dort beginnen wir an der Gedenkstätte Eiserner Vorhang und lesen schweigend die Erinnerungstafeln. Da gibt es Tränen der Betroffenheit und dann noch mehr Freude über die Grenzenlosigkeit der EU. Schweigend verarbeiten wir die Eindrücke auf den Weg hinauf zum Windpark. Eine kurze Pause lässt uns rundum blicken, bevor wir vom 1.000m-Platzl den Sternsteingipfel „erklimmen“. Ein Gipfelschnapserl, ein Rundumblick von der Warte aus und ein paar Wanderlieder auf Wunsch eines dort auf der Bank sitzenden älteren Wanderers machen den Augenblick besonders. Wir haben es geschafft. Jetzt geht es noch nach Bad Leonfelden hinunter, in die Kirche, ins Cafe und in unsere letzte Bleibe, das Bründl. Dort lauschen wir abends noch „nebenbei“ der Leonfeldner Kantorei bei ihrem Konzert im Haus.

     

Tag 8

Der nächste Tag hat noch ein ausgiebiges gemeinsames Frühstück, eine intensive Verabschiedung und individuelle Heimreise am Programm, Richtung Wien, in die Steiermark und Oberösterreich. Allen ist zugerufen: Pace e bene. Dieser „Bericht“ ist nicht einmal fragmentarisch gedacht. Das Erlebte ist zu groß, zu weit und zu tief. Wir spüren: Bleiben wir verbunden bei unserem jeweiligen Pilgern im Jetzt.

von Ferdinand Kaineder


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