WELTANSCHAUEN - einfach reisen zu Land und Leuten
Was bedeutet Pilgern für Sie?
Pilgern ist für mich Gehen. Das Leben kommt mir dabei in der Geschwindigkeit entgegen, in der ich es gut wahr- und annehmen kann. Gerade das Pilgern öffnet alle meine Sinne bis hinein in die spirituelle Dimension unseres Lebens, die heute - Gott sei Dank - wiederentdeckt wird. Die Natur, die Begegnungen am Weg, das Schweigen, die Gespräche und manche Schmerzen lassen neues Leben aufkeimen. Es wird im Gehen gelöst.
Was ist das besondere auf einer Pilgerreise – wie unterscheidet sie sich von einer „normalen“?
Wenn ich mit einer Gruppe auf Pilgerreise gehe, wirklich gehe, dann beginnt jeder Tag mit einem Impuls, einem Gedankengang, einem Lied, einem Gebet, einem Innehalten. Die Natur wird zur Lehrmeisterin am Weg. Wir schauen nicht nur hin, sondern stellen uns ganz hinein in das Leben, in das Geheimnis des Lebens. Für Überraschungen sind wir geöffnet. Kann sein, dass gar nicht so viel Unterschied ist. Wer nachhaltig gut auf Reisen geht und die Welt ungeschminkt anschaut, ist im Grunde schon auf Pilgerreise.
Gibt es ein ganz besonderes Erlebnis, an das Sie sich erinnern?
Als wir in Rumänien am Marienweg nach einem langen Tag in eine Einsiedelei kommen, waren da nur Matrazzen und ein Ziehbrunnen in fünf Minuten Entfernung. Zuerst ernüchternd. Dann haben uns die Gastgeberinnen einen geschmackvollen Eintopf gemacht, den ich nie vergessen werde. Der Gottesdienst, das Singen, die Gespräche am Abend waren einfach und schön. Lange haben wir in den nächsten Tagen davon gesprochen. Bis heute.
Für wen eignet sich eine Pilgerreise?
Für jede und jeden, der oder die normal gehfähig ist. Das Pilgern hat nichts mit Leistung zu tun. Für Gruppen ist es immer ein besonderes Geschenk, dass alle mitkommen und das "innere Gummiringerl" nie reißt. Auch als Guide bin ich jedes Mal dankbar, dass alle ans Ziel kommen.
Interview von Welt der Frauen mit Ferdinand Kaineder vom 1.8.22