WELTANSCHAUEN - einfach reisen zu Land und Leuten
Vorige Woche machte sich wieder eine kleine Gruppe "Pilger:innen der Hoffnung" - genaugenommen sieben Pilgerinnen und zwei Pilger - auf den Weg. Diesmal ging es auf der Via Sacra von Heiligenkreuz nach Mariazell - und da die Via Sacra Teil der europäischen Pilgerroute Romea Strata ist, waren wir somit auch unterwegs "in Richtung Rom".
Am Mittwoch, 21. Mai starteten wir in Heiligenkreuz mit einer Führung mit Audioguide, konnten also ganz entspannt und in unserem eigenen Tempo die romanisch-gotische Stiftskirche und den Kreuzgang mit seinen Räumen besichtigen. Nach dem Pilgersegen, den uns Pater Stephan in der Kreuzkirche spendete, hörten wir noch das Mittagsgebet der Zisterziensermönche, das im Gregorianischen Choral gesunden wird. Die Mönche sind seit 2008 auch als die "singenden Mönche" bekannt: Damals gewannen sie einen Musikwettbewerb und waren in den europäischen Charts ganz weit vorne. Mittlerweile haben sie bereits vier CDs produziert, der Erlös wird großteils für Stipendien verwendet. In Heiligenkreuz befindet sich mit der theologisch-philosophischen Hochschule auch die größte Priesterausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum.
Nachdem wir uns im Klostergasthof gestärkt hatten, ging es endlich los mit dem Pilgern. Von Maria Raisenmarkt wanderten wir über Holzschlag auf den Hafnerberg, wo die Wallfahrtskirche einen Besuch wert ist. Die Kirche ist mit Fresken des Barockmalers Ignas Mildorfer ausgeschmückt - und wir haben im Kuppelfresko sogar den Schutzpatron der Pilger:innen, den heiligen Jakobus entdeckt! Weiter ging es über bunt blühende Wiesen und durch Mischwälder nach Klein-Mariazell, ursprünglich zur Unterscheidung des damals im Herzogtum Steiermark liegenden "großen" Mariazell auch "Mariazell in Österreich" genannt.
Die Kirche besuchten wir erst am Donnerstag in der Früh, nach einem wunderbaren Abendessen (der Koch stammt aus Italien ...) und einer erholsamen Nacht. Das Kloster Klein-Mariazell wurde 1136, nur drei Jahre nach dem Stift Heiligenkreuz, gegründet und von Benediktinern besiedelt. Nach der Auflösung durch Kaiser Josef II. kam es in Privatbesitz und verfiel in der Folge zusehends. Erst in den 1990er Jahren wurden die noch bestehenden Gebäudeteile vorbildlich restauriert und das Kloster 2005 wieder eingeweiht. Die Fresken und Gemälde des barocken Hofmalers Johann Wenzel Bergl sind eine echte Pracht.
Auf uns wartete aber bald wieder ein Stück Pilgerweg und nach einem kurzem Transfer starteten wir in Kaumberg gleich mit einer ordentlichen Bergwertung! Fast 300 Höhenmetern ging es hinauf zur Araburg, der höchstgelegenen Burgruine in Niederösterreich auf 800 m. Gut, dass das Burgstüberl offen hatte und wir uns stärken konnten, bevor wir einen schönen Höhenweg über Wiesen mit Blick ins Alpenvorland weitergingen. Auf halbem Weg nach Hainfeld holte uns der angesagte Regen ein, da pilgerten wir aber schon in den Wald hinein, der uns ein bisschen geschützt hat. Von Hainfeld sind wir mit dem Schienenersatzbus nach Traisen und wegen des immer stärker werdenden Regens gleich weiter nach Marktl gefahren. Von dort war es nur mehr ein kurzer Spaziergang durch die Bezirkshauptstadt Lilienfeld zum Zisterzienserstift.
Unterwegs kamen wir beim Bezirksheimat- und Skimuseum vorbei. Mathias Zdarsky kam im 19. Jahrhundert aus Tschechien hierher und entwickelte hier die "Lilienfelder Skifahrtechnik". Am Hausberg Muckenkogel fand 1905 auch der erste Skiwettlauf der Geschichte statt, worauf die Stadt bis heute stolz ist. Unser Highlight war aber das Stift Lilienfeld, das 1206 vom Babenberger Leopold VI. gegründet und von Heiligenkreuzer Mönchen besiedelt wurde. Zuerst gab es ein bisschen Aufregung, weil ich leider ganz vergessen hatte, meine Pilgerinnen und Pilger vorzuwarnen, dass unsere Zimmer im Stift ohne Bad und WC sein würden und wir auch zu den Sanitäranlagen "pilgern" mussten... Aber so hatten wir einmal eine "richtige" Pilgerunterkunft 😉 - und auf alle Fälle war es etwas ganz Besonderes, in der größten mittelalterlichen Klosteranlage Österreichs zu Gast zu sein.
Da ich hier vor einigen Jahren eine zeitlang Stiftsführerin war, gab es diesmal keinen Audioguide, sondern meine eigenen "Gschichtln" - wunderbar ergänzt durch die meines Mannes Christian, der überraschend aufgetaucht ist. Wir beide haben Lilienfeld schon vor einiger Zeit zu unserer "dritten Heimat" (nach Wien und dem Weinviertel) erkoren und durften auch schon zeitweise im Stift wohnen. Am Abend waren wir alle zur Pilgermesse in der Stiftsbasilika eingeladen, die Abt Pius für uns zelebriert hat. Unsere Mitpilgerin Petra, eine begnadete Organistin, begleitete die Messe mit ihrem Spiel und der Lilienfelder Josefsverein (der es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, das Pilgerwesen zu fördern) hat uns beim Kaumberger Bäcker Singraber ein großes "Romea Strata"-Brot backen lassen, das wir nach der Messe untereinander aufteilten (es war so groß, dass es uns die nächsten zwei Tage gestärkt hat und wir die Reste am Samstag noch mit den Tagespilgerinnen von Anima teilen konnten ...).
Danach gab es noch ein Abendessen im Gasthof Ebner, einem traditionellen Gasthof mit ausgezeichneter, bodenständiger Küche, großen Portionen und mehr als fairen Preisen. Gut, dass wir im Anschluss noch einen kleinen Verdauungsspaziergang zu unseren "Klosterzellen" hatten!
Am Freitag starteten wir mit einem gar nicht klösterlich-kargen Frühstücksbuffet und dem zweiten Teil der Stiftsführung. Jetzt standen der Kreuzganggarten, die barocke Bibliothek und das gotische Laienbrüderhaus mit Dormitorium und Cellarium auf dem Programm. Nach so viel Kultur wartete dann wieder der Pilgerweg, allerdings erst nachdem wir auch die Kirche von Türnitz besucht und - wie überall bisher - einen Pilgerstempel für unsere Pilgerpässe geholt hatten.
Die heutige Etappe führte uns durch den Türnitzgraben die Traisen - und leider streckenweise auch die Straße - entlang nach Maria Siebenbrunn. Dort stehen ein Brunnen, aus dem heilkräftiges Wasser sprudelt, eine barocke Kapelle samt alter Einsiedelei - und ein Gebäude mit einem Pausenraum für Pilger! Dank unseres perfekten Timings regnete es genau so lange, wie wir für unsere Mittagsjause brauchten 🙂. So kamen wir tatsächlich trockenen Pilgerfußes in Annaberg an. Dafür waren die letzten zwei Kilometer eine ziemliche Herausforderung: Bis kurz vor dem Ziel verläuft der Pilgerweg im Tal der Traisen. Dann stehen die müden Pilger:innen am Talschluss und sehen hoch oben auf einer Geländestufe das Tagesziel, die Kirche von Annaberg.
Mit letzter Kraft steigt man einen steilen Weg hinauf und denkt dabei daran, dass Annaberg nicht nur eine wichtige Etappe unterwegs nach Mariazell, sondern auch ein eigener Wallfahrtsort ist: Hier steht die erste Kirche, die im deutschsprachigen Raum der heiligen Anna, Mutter Marias, geweiht wurde. Dementsprechend gab es auf dieser letzten, anstrengenden Wegstrecke jede Menge Rituale und Bräuche. So zogen sich die Wallfahrerinnen und Wallfahrer früher ihre Sonntagsgewänder an, bevor sie zur Annakirche aufstiegen. Sie steckten sich Steine in die Schuhe, oder gingen barfuß weiter, um unterwegs noch ein paar Sünden abzubüßen. Uns genügte heute der steile Anstieg, der uns schon genug der Qual erschien ...
Oben angekommen freuten wir uns an der schönen Aussicht auf den höchsten Berg der Region, den Ötscher und über ein spezielles Pilgerritual in der Kirche. Hier dürfen Pilgerinnen und Pilger über eine steile Holztreppe zum Gnadenbild "Anna Selbdritt" - Anna mit Maria und dem Jesuskind - auf den Altar hinaufsteigen und der heiligen Anna einen Wunsch ins Ohr flüstern. Mögen unsere Wünsche in Erfüllung gehen!
Der allgemeine Wunsch nach einer Dusche und einem guten Abendessen wurde jedenfalls prompt erfüllt, als wir nach einem kurzen Wegstück beim Gasthof Schachinger ankamen. Ein herzlicher Empfang durch den Wirt, Duschen (in den Zimmern!) und ein köstliches Essen waren ein guter Abschluss eines schönen Pilgertages.
Der Samstag begann mit einem kurzen Weg auf den Joachimsberg (der im Gegensatz zum Annaberg nur einen sehr harmlosen Anstieg erfodert). Dort kehrten wir gleich wieder ein (für uns hat Pilgern nichts mit Verzicht zu tun, sondern vielmehr mit Genuss: Naturgenuss, Kulturgenuss, kulinarische Genüsse ... alles hat seinen Platz 🙂) und warteten auf die Tagespilgerinnen von ANIMA - Bildungsinitiative für Frauen der ED Wien, die - angeführt von meiner Pilgerbegleiter-Kollegin Maria und begleitet von der ANIMA-Leiterin Birgit - den Weg an diesem Tag mit uns teilten, immer mit Blick auf den majestätischen Ötscher, der nach den Regenfällen der letzten Tage besonders klar zu sehen war. Einen anderen Berg, den über 1.000 m hohen Josefsberg, mussten wir noch erklimmen, dann hatten wir die "drei heiligen Berge" und somit fast die ganze heilige Famile geschafft: Anna, Joachim und Josef bereiteten uns auf die Ankunft bei Maria vor.
Doch bevor wir zur Mariazeller Gnadenmutter kamen, legten wir noch eine Mittagspause in Mitterbach ein, der ersten Toleranzgemeinde Niederösterreichs. Hier durften die Protestanten, die im 18. Jahrhundert mit den Holzknechten in die Region kamen, ihr erstes Gotteshaus errichten. Noch heute gibt es hier einen sehr hohen Anteil an Evangelischen (ca. 30 %) und die beiden christlichen Gemeinschaften leben in ökumenischer Eintracht zusammen. Von Mitterbach geht es zur barocken Sebastianikapelle, die den Anfang des Sebastianiweges oder Rosenkranzweges markiert (oder sein Ende, wenn man ihn von Mariazell aus geht ... alles ist relativ ....). Entlang dieses Weges stehen fünfzehn Bildstöcke, die den ursprünglich fünfzehn Geheimnissen des Rosenkranzes gewidmet sind. Seit der niederösterreichischen Landesausstellung 2015 befindet sich neben (fast) jedem Bildstock ein Beet mit Heilkräutern gegen bestimmte Beschwerden, angelegt von der beliebten Mariazeller Gnadenapotheke. So hatten wir ausreichend Beschäftigung auf den letzen Kilometern nach Mariazell und wie immer dauerte es länger als vorhergesehen, bis wir kurz vor dem letzten Bildstock den ersten Blick auf die Wallfahrtsbasilika genießen konnten.
Geschafft!! Es ist immer ein erhebender Moment, das Ziel vor Augen zu sehen! Der erste Weg in Mariazell führte uns zum Standl von Hermine Butter, der "Hüterin des Pilgerstempels" - dieses Jahr hat sie einen besonders schönen mit dem Logo der "Pilger der Hoffnung", die uns so nebenbei auch gleich noch mit einem Ankunftsschnapserl versorgte. Unseren persönlichen Pilgerabschluss feierten wir mit einem individuellen Pilgersegen am Brunnen neben der Basilika. Pilgern ist - im Gegensatz zum Wallfahren - etwas Individuelles, daher verabschiedeten wir uns nach dem Segen von den Tagespilgerinnen und jede:r gestaltete den Rest der Ankunft nach ihrem und seinem persönlichen Geschmack: ein Gebet vor dem Gnadenaltar, eine Kerze in der Kerzengrotte anzünden, die Pracht der barocken Kirche auf sich wirken lassen, ...
Nach Check in und Abendessen beim Kirchenwirt gleich hinter der Basilika besuchten wir dann noch gemeinsam die Lichterprozession, die mit einer Andacht in der Kirche beginnt und mit einem Kerzenumzug um die Basilika - begleitet von Marienliedern - endet.
Das wäre schon ein recht würdiger Abschluss gewesen, doch am Sonntag ging es noch mit einem besonderen Erlebnis weiter: Annibelle war schon vor dem Frühstück in der Kirche und hörte dort, dass der Organist leider nicht gekommen war. Sehr spontan fragte sie unsere Organistin Petra, ob sie nicht einspringen möchte - was sie prompt begeistert - und ein bisschen aufgeregt - machte. Die Gelegenheit, in der berühmten Wallfahrtsbasilika an der großen Orgel zu spielen, wollte sie sich nicht entgehen lassen - und diejenigen von uns, die es rechtzeitig mitbekommen hatten, kamen in den Genuss ihres wunderbaren Orgelspiels! Dann war es aber wirklich Zeit für den Abschied und die bunte Pilgerschar verstreute sich wieder in alle Richtungen - die meisten der WELTANSCHAUEN-Philosophie folgend umweltfreundlich mit der Mariazellerbahn, aus der wir noch herrliche Blicke auf den Ötscher und in die Ötschergräben hatten, bevor es durchs Pielachtal nach St. Pölten ging.
Ich danke allen Mitpilgerinnen und Mitpilgern für die schönen Tage und die gute Gemeinschaft! Vielleicht sehen wir uns einmal auf einem der anderen Pilgerwege, die ich mit Weltanschauen organisiere 😇
Liebe Grüße
Christa