WELTANSCHAUEN - einfach reisen zu Land und Leuten
Wir haben interessante Begegnungen mit verschiedenen Menschen bei unterschiedlichen Organisationen und Projekten. Wir beginnen mit der Caritas Gulu, wo uns die Mitarbeiter:innen und der Direktor John Bosco empfangen und über ihre Arbeit erzählen.
Heike Nesner aus Bayern arbeitet hier seit 7 Jahren für die Caritas und unsere beiden österreichischen Caritas-Kolleginnen Birgit Ertl und Alexandra Blattnig besuchen und evaluieren gerade die von Österreich finanzierten Projekte. Caritas Kärnten arbeitet seit vielen Jahren mit Caritas Gulu zusammen. Die Caritas betreibt hier unterschiedliche Projekte, zum Beispiel die Unterstützung der Flüchtlinge aus dem Südsudan, das Projekt „Employed“ zur Qualifizierung von jungen Menschen, „Leave no one behind“ (ein Post-Covid-Projekt), Wiederaufforstungsprojekte (während des Bürgerkrieges waren rund um Gulu viele Flüchtlingslager, weil die Menschen aus den Dörfern hier Schutz vor der LRA suchten – dabei wurden viele Wälder auf der Suche nach Brennholz abgeholzt) und Landwirtschaftsprojekte für die Ärmsten, finanziert aus der Caritas-Aktion „Schenken mit Sinn“ (Nutztiere als Lebensgrundlage) sowie das Projekt „Green Energy and Nutrition“, Biogasanlagen für Bauern und Institutionen.
Zwei davon schauen wir uns dann auch an: mit Heike und 2 Kollegen von der Caritas Gulu fahren wir „ins Feld“ zu Biogasanlagen aus dem Projekt GEN. Finanziert wird dieses Projekt durch CO2 Kompensationszahlungen über die BOKU Wien (mit diesem Projekt kompensieren auch wir unseren Flug von und nach Uganda), entwickelt wurde es gemeinsam mit der Expertise der Universität für Bodenkultur in Wien, der Uni in Gulu (ökologische Expertise) sowie Caritas in Österreich und in Gulu (soziale Expertise). Wir besuchen zwei Bauern mit Biogasanlagen, die uns deren Funktionsweise zeigen. Das Prinzip ist einfach: der Kot der Kühe (oder auch Menschen, Schweine oder Hühner) wird 1:1 mit Wasser verrührt und in eine vorher errichtete Zisterne unter der Erde gefüllt, das entstehende Gas wird durch ein Rohr in die Küche geleitet.
Dort wird es mit einem Gasofen zum Kochen verwendet, was gesünder, günstiger und klimaschonender ist als die zuvor verwendete Kohle. Die normale Kochmethode hier am Land ist die „Three-stone-method“, ein kleiner „Ofen“ aus 3 Steinen, der mit Holz oder Holzkohle befeuert wird – man hat also das offene Feuer und den Rauch in der Hütte. Weil eine Biogasanlage für mehrere Haushalte reicht, wird das restliche Gas an die Nachbar:innen weitergeleitet – entweder mittels Rohren (geht bis zu 70 m) oder bei weiteren Distanzen in Traktorreifen gefüllt (ein Schlauch voll Gas reicht 2-3 Tage).
Der Nachbar muss nichts dafür bezahlen. So profitieren auch ärmere Familien ohne Vieh vom Projekt. Insgesamt gibt es 194 kleinere Anlagen für mehrere Familien und 6 große Anlagen für Institutionen wie Schulen. Für die Menschen ist es eine große Erleichterung: sie sparen das Geld für die Kohle bzw. die Zeit für das Suchen von Brennholz, es gibt keinen Rauch mehr in der Hütte (Gesundheitsaspekt) und vor allem die Frauen haben mehr Zeit für andere Familienaufgaben. Das Projekt ist offiziell von der BOKU zertifiziert und spart CO2 ein. Diese beiden Bilder zeigen eine Frau mit dem neuen Gasofen und dem alten Kohleofen.
Dann fahren wir weiter zu einem Aufforstungsprojekt der Caritas Gulu, im Zuge dessen Föhren und Eukalyptus gepflanzt werden, aus denen später etwa Möbel gemacht werden können. Zum Mittagessen wollen wir dann eigentlich in der Stadt eine schnelle Kleinigkeit essen, suchen uns dafür aber das falsche Restaurant aus. Wir warten ungefähr eineinhalb Stunden auf das Essen (und einen Teil der Getränke) – wir erfahren dann später, dass es in Gulu einen längeren Stromausfall gab, was vermutlich die Ursache war. Somit kommen wir etwas später zu unserem nächsten Termin im Gefängnis von Gulu. Gemeinsam mit einem Mitarbeiter der NGO Advance Africa treffen wir uns mit dem Officer in Charge und einem weiteren Mitarbeiter. Am Weg zum Büro sehen wir schon den Innenhof, in dem sich alle Häftlinge tagsüber aufhalten. Insgesamt gibt es 1600 Häftlinge, wobei viele noch in U-Haft sind. Im Gefängnis können die Insassen zur Schule gehen oder eine Berufsausbildung machen, für viele ist das Leben im Gefängnis angenehmer als draußen, wo sie sich um Essen und einen Schlafplatz umsehen müssen. Der Officer in Charge betont, dass für ihn der Mensch an erster Stelle steht, nicht sein Verbrechen, und, dass Menschenrechte bei allen Handlungen oberste Priorität haben. Wie die Situation dann tatsächlich aussieht, sehen wir leider nicht. Im Anschluss besuchen wir noch mit dem Advance Africa Mitarbeiter zwei frühere Häftlinge – einen Tischler und eine Näherin. Die NGO begleitet die Entlassenen und hilft ihnen, wieder ins Leben in Freiheit zu starten. Vom Gefängnis bekommen sie ein Business Starter Kit: der Tischler bekam etwa Werkzeug, die Näherin eine Nähmaschine, beide können nun mit der Berufsausbildung aus dem Gefängnis arbeiten.
Unser intensiver Tag ist aber noch nicht vorbei, beim traditionell ugandischen Abendessen in unserem Guesthouse besucht uns Jackline Atingo Owacgiu, die bei der UN arbeitet und an der London School of Economics forscht und unterrichtet. Sie erzählt uns über den Bürgerkrieg, der hier in der Gegend zwischen 1987 und 2006 wütete und 100.000 Menschen das Leben kostete. Die Lord’s Resistance Army (LRA) unter Joseph Kony entführte dabei zahlreiche Kinder zwischen acht und 16 Jahren, die Jungen wurden zum Kämpfen ausgebildet, die Mädchen zu Sexsklavinnen, um Kinder zu bekommen. Viele der Kinder wurden auch gezwungen, ihre eigenen Familien zu töten. Um die Bevölkerung zu schützen, wurden IDP Camps (IDP = Internally Displaced Person) angelegt, wo bis zu 60.000 Menschen unter meist miserablen Bedingungen lebten. In der Mitte der Camps war das Militär angesiedelt, wodurch eigentlich die Bevölkerung die Armee vor der LRA schützte und nicht umgekehrt. Nachdem 2006 die Kämpfe beendet wurden, kehrten viele Kinder wieder zurück, wurden bzw. werden aber oft von ihren Familien nicht zurückgenommen (sie wurden oft schon für tot erklärt und besuchen dann ihr eigenes Grab) – ungefähr 10.000 fehlen aber immer noch, im letzten Jahr sind 14 zurückgekehrt. Der Konflikt wirkt in der Gesellschaft noch nach: es gibt viele Straßenkinder, die Kriminalität ist erhöht, viele Menschen sind traumatisiert, kämpfen mit psychischen Problemen und können nicht verarbeiten, was ihnen widerfahren ist. Dadurch kommt es auch zu Suiziden. Auch Jackline selbst wurde als Kind von der LRA aus ihrer Schule entführt, aber wieder freigelassen. Später arbeitete sie dann mit den zurückgekehrten Kindern und erzählt uns auch von einem Jungen, der es mittlerweile geschafft hat, sein Schicksal zu verarbeiten und nun als Anwalt arbeitet. Joseph Kony ist trotz internationalem Haftbefehl noch immer auf freiem Fuß (!!!) und hält sich mittlerweile im Tschad auf.
Der morgige Tag wird dann wieder weniger bedrückend: wir fahren zum Murchison Falls Nationalpark, wo der Nil einen reißenden Wasserfall bildet und viele Tiere leben.
Heute verlassen wir das lebendige Gulu und fahren wieder in die Natur. Neben der Straße tauchen immer wieder kleine Dörfer mit runden Lehmhütten und spitzem Strohdach auf oder etwas größere Orte, in denen reges Treiben herrscht und oft laute Musik aus den Kiosken zu hören ist. Neben der mit Schlaglöchern übersäten Straße taucht schon das erste Nilpferd auf und dann schließlich erstreckt sich auch der Nil selbst vor unseren Augen. Von oben ist er blau und so groß wie ein See.
Bevor wir in den Murchison Falls Nationalpark einfahren dürfen, muss Ismail noch die notwendige Bürokratie erledigen, wir warten währenddessen in der Hitze (heute hat es etwa 39 Grad) im Schatten eines Baumes. Vor kurzem wurde hier Öl entdeckt, für die Ölpipeline wurden auch die Straßen ausgebaut: jetzt führt einen breite asphaltierte Straße durch den Park. Unsere heutige Unterkunft, die Pakuba Safari Lodge, hat einen wunderschönen Blick auf den Nil und sogar einen Pool. Diese Oase für (meist weiße) Tourist:innen fühlt sich irgendwie schräg an, wenn man zuvor das Leben der ugandischen Bevölkerung gesehen hat. Nach einer Poolpause brechen wir mit Ismail zu einem vierstündigen Gamedrive auf. Wir sehen viele Affen, Giraffen und Antilopen. Auch ein paar Nilpferde lassen sich blicken. Und dann endlich sehen wir die ersten Löwen. Gut versteckt unter einem Busch liegt eine Löwenmama mit ihren zwei Babys, später sehen wir noch zwei weitere. Beim Sonnenuntergang beobachten wir die Giraffen, wie sie zum Trinken zum Nil kommen (wobei sie ihre Beine weit spreizen müssen, damit sie mit ihrem langen Hals zum Wasser kommen). Am Heimweg sehen wir immer wieder Feuer, die aber (laut Ismail) kontrolliert gelegt wurden, um frisches Gras wachsen zu lassen. Den Abend verbringen wir in unserer Lodge, nur die regelmäßigen Stromausfälle erinnern uns, dass wir noch immer in Afrika sind.
Morgen werden wir uns dann nochmal auf in den Nationalpark begeben und die namensgebenden Wasserfälle besuchen.